"Pro-russische Milizen" - Zum Sprachgebrauch in der ARD
Zur Sendung am 05.01.2022, 20:00 Uhr in der ARD
Die Darstellung, ukrainische Streitkräfte und „prorussische Milizen“ stünden sich in der Ostukraine gegenüber, kommt einer Desinformation gleich – sicherlich unbeabsichtigt, aber mangelnde Kenntnis offenbarend in diesem einzigen bis heute andauernden Krieg auf europäischem Boden.
Den besseren Begriff wendet BBC an: „Russian backed forces“. Bereits im Dezember 2014 musste Putin unter dem Druck der Beweise auf einer Pressekonferenz zugeben, dass Soldaten aus regulären russischen Einheiten in der Ostukraine kämpfen und fallen. Er übernahm dafür die Verantwortung als Oberbefehlshaber der Armee, nannte diese Soldaten aber im gleichen Atemzug „Freiwillige“, die unbedingt für „Neurussland“ (im Zarenreich um 1860 weite Gebiete der Ost-und Südukraine) kämpfen wollten.
Die bisher größten Gefechte dieses Krieges, im September 2014 bei Ilovajs’k und im Januar 2015 bei Debal’ceve, fanden zwischen russischen und ukrainischen Militäreinheiten statt. Örtliche ostukrainische Kräfte spielten dabei kaum eine Rolle. Auch diese bestanden und bestehen zudem weitgehend aus Söldnern, die in der Russischen Föderation gesammelt und ausgerüstet werden. Um die vollständige Niederlage dieser Kräfte abzuwenden, griff Russland seit dem 24. August 2014 mit eigenen regulären Streitkräften in den Krieg ein.
Bitte überdenken Sie Ihren Sprachgebrauch! Der Aggressor in diesem Krieg steht fest. Wer daraus einen „innerukrainischen“ Konflikt macht, folgt der Linie der russischen Propaganda.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Lüdemann
(Herr Dr. Ernst Lüdemann ist Osteuropahistoriker und ehemaliger Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Außenstelle Heidelberg. Gründer und langjährgier Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Rhein-Neckar e.V. und ausgewiesener Ukraine-Kenner. Herr Dr. Lüdemann gehört auch zum engen Beraterkreis des ukrainischen Dachverbandes)