Über die Ukraine, nicht ohne die Ukraine!
01. März 2023
Der Dachverband der Ukrainischen Organisationen in Deutschland e.V. hat im Rahmen der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung "Wir wählen die Freiheit" am 27. Februar 2023 eine Diskussion mit Vorträgen zum Thema "Russlands genozidaler Krieg gegen die Ukraine: Widerstand mit Wort und Waffe. Ukrainische Intellektuelle und Zivilgesellschaft im Kampf." vorbereitet und mit Erfolg durchgeführt. Die KAS-Veranstaltung war dem Jahrestag des russischen Großangriffs auf die Ukraine gewidmet und fand am 27. Februar im Café "Kyiv" in Berlin statt.
Das historische Gebäude erhielt für vier Tage im Rahmen einer „künstlerischen Aktion“ vorübergehend den Namen "Cafe Kyiv". Bereits am nächsten Tag wurde die Aktion beendet, das Café erhielt wieder seinen alten Namen Café "Moskau". Trotz aller berechtigten Zweifel und Kritik an der Entscheidung der Konrad-Adenauer-Stiftung, eine Veranstaltung gerade in einem Gebäude mit diesem Namen abzuhalten, scheint der Plan funktioniert zu haben: Die Teilnehmer reflektierten in ihren Reden über diese Tatsache und entwickelten das Thema (so drängte zum Beispiel Botschafter Alexei Makeyev darauf, sich nicht mit dem Thema der Umbenennung dieses bestimmten Gebäudes aufzuhalten) und beantworteten gerne damit zusammenhängende Fragen - verwiesen sei etwa auf Oksana Sabuschkos treffende Beobachtung, dass dieses Gebäude imperialistisches Denken widerspiegele und als Zweifel an der Unabhängigkeit von Ländern wahrgenommen werden kann, deren Hauptstädte als Namenspaten für Café-Räumlichkeiten dienten. Es gibt allerdings Grund zu der Annahme, dass dieser Präzedenzfall funktionieren wird und eine dauerhaftere Umbenennung zustandekommt, wozu zumindest der Präsident der KAS, Prof. Norbert Lammert den Berliner Senat und die Abgeordneten aufforderte.
Ziel der DUOD-Veranstaltung im Raum Charkiw war es, der deutschen Gesellschaft die Meinung ukrainischer Intellektueller über die Natur des gegenwärtigen Krieges, seine Voraussetzungen und mögliche Lösungen zu vermitteln. Zu diesem Zweck hatten wir drei Redner eingeladen – den Oberleutnant der ukrainischen Streitkräfte und Dekan der Fakultät für Geschichte der Kyjiwer Taras-Schewtschenko Nationaluniversität Herrn Professor Ivan Patryliak, den Doktor der Philosophie und Leiter der Abteilung für Politikwissenschaften der Ukrainischen Katholischen Universität (UKU) Yuriy Pidlisnyi sowie den Präsidenten des Ukrainischen Weltkongresses (2008-2018) und derzeitigen Präsidenten der NGO "Ukraine 2050" Eugene Czolij.
Da Professor Patryliak seit Februar 2022 in den Streitkräften dient, konnten wir dem Publikum leider nur seine Videobotschaft präsentieren, die jedoch sehr kraftvoll und eindrucksvoll war und die Zuhörer mit seiner Tiefe und präzisen Formulierung beeindruckte. Im Rahmen der Diskussion wurden auch Fragen gestellt, die von den beiden oben genannten Rednern beantwortet wurden. Allgemeiner Konsens fand sich in der Notwendigkeit einer weiteren Konsolidierung der westlichen Politik hinsichtlich der Frage zur Hilfe für die Ukraine und der Notwendigkeit eines Sieges der Ukraine, um einen langfristigen Frieden zu sichern.
An diesem Tag hielten mehr als 30 weitere KAS-Partner ihre Veranstaltungen ab, während zeitgleich Diskussionen auf den Hauptpanels stattfanden. Alles fand auf einem überwiegend sehr hohen Niveau statt und mit pro-ukrainischen Sprechern.
Es gab allerdings auch zwei Sitzungen, die wir, der DUOD, als "über die Ukraine ohne Ukraine" charakterisieren würden. Insbesondere im Live-Podcast des Ostausschusses der Salonkolumnisten schien es zwar oberflächlich um die Ukraine zu gehen, aber die Diskutanten kehrten während der ganzen Zeit immer wieder zum Thema Russland zurück, zur Suche nach den „guten“ Russen und zur Feststellung, dass der Stalinismus zwar böse sei, aber doch keinen Vergleich mit Hitler, der den Holocaust verursacht hat, aushalte etc. All dies wäre wohl bis zum Ende in diesem Sinne verlaufen, hätte es das Publikum nicht gewagt, sein Missfallen und die Kritik offen zum Ausdruck zu bringen, und auf diese Weise den Protest an einer immer noch vorhandene Beurteilung und Betrachtung der Ukraine und der Länder Osteuropas durch die Brille des russischen Imperialismus zu äußern – und das trotz eines völkermörderischen Angriffskrieges durch russland. Die Kolumnisten versuchten zu beschwichtigen und erklärten, etwas anderes im Sinne gehabt zu haben. Nichtsdestotrotz ist es bedauerlich, dass wir Ukrainer nach einem Jahr bitteren Krieges, auch hier noch kämpfen müssen, um als eigenständiges Volk wahrgenommen zu werden. Und es war eine unangenehme Überraschung, dies gerade von Experten zu hören, die in ihren Podcasts eine pro-ukrainische Position vertreten und dort selbst das Thema "russische Brille" ansprechen.
Dies überschneidet sich übrigens auch mit der These von Oksana Sabuschko, dass die Existenz eines Café "Moskau" in Berlin, welches über gesonderte Räume wie "Baku" verfügt, immer noch darauf verweist, dass der größte Teil der deutschen Gesellschaft die unabhängigen Länder im Osten Europas immer noch durch das Prisma der imperialen Interessen Russlands wahrnimmt und Ukrainer auf den Satz "Ukraine, ehemalige Sowjetrepublik" wohl mit "Bundesrepublik Deutschland, ehemaliges Drittes Reich" antworten müssten!
Aufzeichungen von der Veranstaltung
https://www.youtube.com/playlist?list=PLBPtVDPUCJEvLE6PbdtFestiHVURe9iHo
Prof.Ivan Patryliak: Why we fight (Univ. Kyjiw)
Eugene Czolij: Why Ukraine must win and what the West must do (Ukraine-2050)
Yuriy Pidlisny:Russian empire and genocidal war in Ukraine (Ukrainische Katholische Universität, Lwiw)