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Russlands Niederlage ist Europas Sicherheit

Kategorie: Expertenartikel

DUOD Logo29. März 2025 - Die Zeit der Illusionen ist längst vorbei. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist kein entgleister Konflikt, sondern ein blutiger Kolonialkrieg – eine gezielte Aggression, geführt mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts, mitten im 21. Jahrhundert. Er ist auch ein Testfall dafür, ob Europa in der Lage ist, seine freiheitliche Ordnung zu verteidigen – oder ob es bereit ist, sich schleichend unter ein neoimperiales System russischer Prägung zu beugen.

Der Westen muss erkennen: Putin versteht nur Stärke

Während europäische Demokratien über Optionen diskutieren, handelt der Kreml. Die russische Rüstungsindustrie produziert inzwischen mehr Panzer als alle NATO-Staaten zusammen. Dies ist kein Ausdruck von Stärke, sondern der Beleg dafür, dass Russland sein gesamtes wirtschaftliches und gesellschaftliches System auf Krieg umgestellt hat – in der Hoffnung, den Westen durch schiere Masse zu überrollen, sollten die USA als Schutzmacht ausfallen.

Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, bis 2024 Kommandeur des Multinationalen Korps Nord-Ost in Stettin und derzeit Senior Fellow am German Institute for Defence and Strategic Studies, bringt es auf den Punkt: „Ich kann den Begriff ‚Zeitenwende‘ nicht mehr hören. Und auch ‚Kriegstauglichkeit‘ nicht. Das alles verpufft am Ende und das liegt an uns. Wir brauchen eine Kehrtwende, die sich nicht ausschließlich auf den monetären Aspekt bezieht. Es sind die Prozesse und die darin involvierten Menschen, die den Systemfortschritt verhindern. Das gilt es, neu zu organisieren.“ (Quelle: Focus/MSN-Artikel)

Der Begriff „Zeitenwende“ allein reicht nicht – Europas sicherheitspolitischer Kurs muss sich grundlegend ändern. Ein eingefrorener Konflikt oder ein fauler Kompromiss würden Russland nicht abschrecken. Stattdessen denken manche unbelehrbaren Verantwortungsträger und Lobbyisten aus Wirtschaft und Politik ernsthaft laut darüber nach, ob und wann man Nordstream wieder in Betrieb nehmen könnte. Wer sich dem Kreml andienen will, ist kaum aufzuhalten – doch das ändert nichts an der Tatsache, dass nur ein militärisches Scheitern Moskaus in der Ukraine echte Sicherheit bringen kann.

Zur Erinnerung

Die folgenden Beispiele sind nicht bloße historische Randnotizen oder bedauerliche Einzelfälle. Sie zeigen das wahre Gesicht eines Staates, der sich offen über das humanitäre Völkerrecht hinwegsetzt – systematisch, bewusst und mit ideologischer Überzeugung.

Verbrechen gegen Kriegsgefangene

Der Amnesty-Bericht „A Deafening Silence“ vom März 2025 belegt in erschütternder Klarheit: Ukrainische Kriegsgefangene werden in russischer Gefangenschaft systematisch gefoltert, misshandelt und oft monatelang in Inkommunikado-Haft (also vollständiger Isolation ohne Kontakt zur Außenwelt) gehalten. Viele sterben an den Folgen oder werden gezielt exekutiert – allein 109 solcher Hinrichtungen wurden für 2024 dokumentiert. Auch medizinische Versorgung wird verweigert, und Hunderte gelten als verschwunden, so Amnesty International. Viele sterben an den Folgen oder werden gezielt exekutiert – allein 109 solcher Hinrichtungen wurden für 2024 dokumentiert. Auch medizinische Versorgung wird verweigert, und Hunderte gelten als verschwunden.

Wir erinnern in diesem Zusammenhang auch an ein besonders symbolträchtiges und erschütterndes Beispiel: Die hinterhältige und gezielte Tötung von über 50 ukrainischen Kriegsgefangenen im Juli 2022 in Oleniwka – einem von Russland kontrollierten Kriegsgefangenenlager. Russland behauptete, das Lager sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden, doch unabhängige Analysen und forensische Hinweise deuten auf eine interne Explosion hin. Viele der dort Getöteten gehörten zur Verteidigergruppe des Asow-Stahlwerks in Mariupol. Auch heute noch werden Mitglieder des Asow-Regiments zu langjährigen Haftstrafen verurteilt – in politisch motivierten Schauprozessen, die internationales Recht missachten.

Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung

Der Bericht zeigt auch: Nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilist:innen sind betroffen. Besonders in besetzten Gebieten werden Menschen willkürlich verschleppt, gefoltert oder verschwinden spurlos – eine Praxis, die in ihrer Systematik an die Gräueltaten in Butscha, Irpin, Mariupol und anderen Orten erinnert. Diese gezielten Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung dienen der Einschüchterung, Kontrolle und systematischen Vernichtung ukrainischer Identität. (Quelle: "A Defeaning Silence", Amnesty International, März 2025 – PDF)

Systematischer Kindesraub: Russland begeht das, was Völkerrechtler als Genozid definieren

Ein Bericht des Institute for the Study of War (ISW) vom 24. März 2025 zeigt das wahre Gesicht des russischen Besatzungsregimes: Hunderte ukrainischer Kinder wurden aus besetzten Gebieten entführt und zwangsadoptiert – in einem Vorgang, der systematisch organisiert, von staatlichen Stellen getragen und durch russische Propaganda begleitet wird. Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein planvolles Vorgehen, das mit der Absicht erfolgt, ukrainische Identität auszulöschen. Der Internationale Strafgerichtshof hat bereits Haftbefehle gegen Wladimir Putin und seine Kommissarin für Kinderrechte erlassen – doch die Dimension dieses Verbrechens verlangt mehr als juristische Symbolik. (Quelle: ISW-Bericht)

Irrwege des Pazifismus

Da hilft es nicht, wenn sich Teile der deutschen Gesellschaft weiterhin an eine pazifistische Haltung klammern, als könne ein Waffenstillstand allein den Krieg beenden. Kapitulation gegenüber Russland ist keine Lösung – sie ist Unterwerfung. Und ein Waffenstillstand ohne Rückzug des Aggressors, ohne Wiederherstellung der Gerechtigkeit, ist kein Frieden, sondern bloß eine Atempause für das Unrecht.

Was bei dieser Haltung völlig übersehen wird: Eine Kapitulation der Ukraine würde nicht das Leid beenden – sie würde es auf eine neue Stufe heben. Die Bevölkerung in den besetzten Gebieten würde im russisch kontrollierten Raum zur Kriegsressource degradiert – instrumentalisiert für die Zwecke eines Regimes, das sich offen gegen den Westen richtet. Und die Bevölkerung Rest-Europas wird sich früher oder später mit einer erstarkten russischen Militärmacht konfrontiert sehen, die sich zur Umsetzung ihrer neoimperialen Träume der menschlichen Ressourcen aus der frisch eroberten Ukraine bedienen kann.

Keine Option darf ausgeschlossen werden

Europa muss sich eingestehen: Ein russischer Sieg oder auch nur ein „fauler Frieden“ auf Kosten der Ukraine hätte fatale Folgen für die baltischen Staaten, für Polen, für Moldau – und letztlich auch für Deutschland. Russland würde seinen Einfluss- und Aufmarschraum in Europa massiv ausdehnen, sein Atomnarrativ würde sich als erfolgreich erweisen, und das internationale Recht würde ein weiteres Mal durch das Recht des Stärkeren ersetzt.

Daher darf Europa keine Optionen mehr ausschließen. Wirtschaftliche Unterstützung, Waffenlieferungen, Ausbildung ukrainischer Soldaten – all das ist notwendig, reicht aber womöglich nicht aus. Wenn Europas Sicherheit auf dem Spiel steht, muss auch die Frage erlaubt sein, ob eine engere militärische Einbindung – im äußersten Fall auch mit westlichem Personal – ausgeschlossen bleiben darf.

Die Ukraine leistet seit über drei Jahren erbitterten Widerstand gegen eine der größten Militärmächte der Welt. Dennoch sprechen manche im Westen von einer Niederlage und schämen sich, das Wort "Sieg" in den Mund zu nehmen. Was es braucht, ist weniger Angst – und mehr Mut und Vertrauen.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat die Situation kürzlich zugespitzt zusammengefasst: „500 Millionen Europäer flehen 300 Millionen US-Amerikaner an, sie vor 140 Millionen Russen zu schützen, die seit drei Jahren nicht imstande sind, 40 Millionen Ukrainer zu besiegen.“ (Quelle: tagesschau.de)

Nur eine krachende Niederlage Russlands schafft Sicherheit – für die Menschen in der Ukraine und in Europa!

DUOD Vorstand

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