Experten
Ukraine und der Seitenwechsel der USA
Ratingen, 2. März 2025
Die letzten Wochen haben die Ukraine und Europa mit voller Wucht in die brutale Realität zurückkatapultiert.
Zuerst verkündete der US-Verteidigungsminister, dass die USA auf die Seite des Kriegstreibers und international gesuchten Kriegsverbrechers Putin wechseln und jede Verhandlungsposition für einen gerechten Frieden unter Einhaltung des Völkerrechts aufgeben. Die UN-Charta wurde zugunsten Russlands beiseitegeschoben. Die von Russland geschaffenen Realitäten seien nicht mehr Verhandlungsgegenstand und müssten akzeptiert werden. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sei ausgeschlossen.
Empörung überall, scharfe Reden und Kritik auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Mit Spannung erwartet wurde die Rede von Vizepräsident Vance. Doch er schwieg zum Thema Ukraine und beschuldigte stattdessen Deutschland und Europa – während er seine wahre Mission als Lobbyist der weltbeherrschenden amerikanischen Internetplattformen verbarg –, die Meinungsfreiheit zu gefährden. Dies stellte er als eine weitaus größere Bedrohung dar als jene durch Russland oder China. Sein eigentlicher Angriff galt dem europaweiten Gesetz über digitale Dienste, das Plattformbetreibern Geldstrafen von bis zu 6 % des weltweiten Vorjahresumsatzes auferlegt, wenn sie illegale Inhalte wie Hassrede und Hetze im Internet zulassen. Seine Rede stammte höchstwahrscheinlich aus dem inneren Zirkel der Milliardäre um Trump – von X, Meta, TikTok und anderen, mit denen sich Trump umgibt und isoliert.
Schließlich der Eklat im Weißen Haus, der alles überschattet.
„Sie spielen mit dem Leben von Millionen Menschen, Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg“ – erschreckende und unmenschliche Vorwürfe, Verleumdungen gegen den ukrainischen Präsidenten, eine Verzerrung und Fälschung der Geschichte. Man kann Trump nur raten, aufzuhören, sich als Putins Höfling zu gerieren, und nicht so feige zu sein. Er sollte diese Anschuldigungen nicht gegen Selenskyj, sondern direkt und öffentlich gegen den Kriegsverbrecher Putin richten. Denn nur gegen ihn können und müssen sie gerichtet sein. Trump würde aus Putins Reaktion schnell lernen, auf wessen Seite er stehen sollte, wenn er seinen Traum verwirklichen will, als Friedensstifter in die Geschichte einzugehen. Seine Taktik, das Opfer der russischen Aggression zu diskriminieren, zu demütigen und zur Kapitulation zu zwingen, wird ihm mit Sicherheit nicht den angestrebten Friedensnobelpreis einbringen.
Nach der Logik Trumps und seiner Anhänger wären nicht Hitler und Deutschland für den Überfall auf Polen 1939 und den Zweiten Weltkrieg mit seinen 60 Millionen Toten verantwortlich, sondern allein das Opfer Polen sowie England und Frankreich, die Polen beigestanden haben.
Trumps wütende Angriffe auf Selenskyj lassen seine wahren Friedenspläne erkennen, die ausschließlich Russland und Putin zugutekommen:
- Russland erhält die Krim und die vier annektierten „Volksrepubliken“, selbst wenn sie noch nicht vollständig erobert sind.
- Die ukrainische Armee wird entmilitarisiert.
- Eine NATO-Mitgliedschaft wird ausgeschlossen.
- Die Sanktionen gegen Russland werden aufgehoben, Reparationen erlassen, eingefrorene russische Staatsgelder zurückgegeben.
- Der amtierende Präsident wird als illegitim und diktatorisch ohne Wahlen eingestuft und ersetzt.
Im Gegenzug verzichtet Russland darauf, sein Ziel weiterzuverfolgen, den verbliebenen ukrainischen Staat mit der russischen Armee anzugreifen, zu erobern oder zu zerstören, um auf diese Weise „Nowa Rossija“ zu schaffen.
Europas Reaktion: Schock, Entsetzen
Doch anstatt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und sofort alles zu tun, um Trumps offenkundigen und kaum mehr umkehrbaren Seitenwechsel zu Putins Seite zu kompensieren, klammert sich Europa – seine eigene angebliche Schwäche suggerierend – an „Mutter Amerika“ und weigert sich, die Realität anzuerkennen, dass Trump es längst fallen gelassen hat.
„Ohne Amerika geht es nicht. Annäherung ist das Gebot der Stunde, Trump muss besänftigt werden, Selenskyj sollte den Gang nach Canossa antreten und sich mit Trump versöhnen.“
Doch das würde bedeuten, Trumps katastrophale Friedenspläne für die Ukraine zu akzeptieren und damit vor der gesamten Welt den Kriegsverbrecher Putin zum triumphierenden Sieger über das Recht und alle demokratischen Werte zu erklären – und die Ukraine zu verraten, ebenso wie die Hunderttausenden von Toten und Verwundeten, die ihr Leben und ihre Gesundheit für die Freiheit und Selbstbestimmung ihres Heimatlandes, der Ukraine, geopfert haben.
Weder Europa noch Amerika sollten die Lügen und Täuschungen vergessen, mit denen Russland die Krim, Luhansk und Donezk angeblich ohne Beteiligung der russischen Armee geraubt hat.
Europa muss sich endlich auf eine nackte Tatsache besinnen:
Nicht nur gegenüber Putin gilt die Erkenntnis, dass er nur eine starke Gegenmacht respektiert. Dasselbe gilt für Trump.
Für Europa bedeutet das, eine offensive Haltung mit der Ukraine gegen Trump und seinen Milliardärsclub einzunehmen – einen Club, der sich bereits die Hände reibt über künftige Profite aus der „ersten Teilung der Ukraine“. Europa muss sich in der UN, in der amerikanischen Gesellschaft, in allen internationalen Institutionen und überall, wo es möglich ist, von der aktuellen Position der US-Regierung distanzieren und deren Unvereinbarkeit mit der Charta der Vereinten Nationen anprangern, der Amerika als Veto-Macht besonders verpflichtet ist.
Nur so kann Trump zum Umdenken bewegt werden, sodass er vielleicht doch noch die unter barbarischer Aggression leidende Ukraine unterstützt und sich gemeinsam mit Europa und der Ukraine gegen Putin für den gerechten Frieden einsetzt, den die Ukraine als freies, unabhängiges und souveränes Land anstrebt.
Ein entschlossener und dauerhafter Widerstand aller Demokratien gegen Trumps Täter-Opfer-Umkehr, gegen die Verleumdung des ukrainischen Präsidenten als Diktator und Kriegstreiber ist ein Muss.
Dr. Ulrich Busch